Das Wasser plätschert an unserer Feuerstelle vorbei, so war es immer – so wird es nicht bleiben…

Als ich dieses Jahr im März in der Hängematte in unserem Wald lag, war es kalt und dunkel. Ich hatte mein Nachtlager zwischen zwei alten Fichten am Bach aufgeschlagen. Das Wasser plätscherte. Ich war satt von den Würstchen und dem Stockbrot, welches wir kurz vorher am Lagerfeuer gebraten hatten. Leichter Nieselregen fiel auf mein Ponchodach herab. Über mir nur schwarz und das rauschen der Bäume. Aber da war auch noch etwas anderes.

In sehr regelmäßigen Abständen rieselten Fichtennadeln auf den Poncho. Es ist zwar normal, das auch Nadelbäume ihrer Blätter auswechseln und die alten Nadeln abwerfen, aber in der Menge hatte ich es noch nicht erlebt. Diese Nacht im Wald machte mich das erste mal für dieses Jahr nachdenklich, obwohl die Bäume auf den ersten Blick eigentlich noch kräftig grün und fit wirkten.

Unser Wald ist ein sehr kleines Fleckchen Erde, an einem kleinen Bach, der in die Nahe mündet. Mein Uropa hatte hier vor über 80 Jahren Fichten auf eine Wiese gepflanzt. Das war damals genau das, was als sinnvoll galt. Bauholz Monokultur. Er war nicht der Einzige der es so machte, überall in Deutschland und Europa entstanden solche Wälder. Er hatte die kleinen Setzlinge damals eigenhändig gesetzt, mit dem Eimer Wasser aus dem Bach geholt, die Pflanzen gegossen und gepflegt, in der Hoffnung, das spätere Generationen sie ernten können. Mittlerweile sind sie zu großen, stattlichen Bäumen herangewachsen.

Blick auf den Brocken durch tote Fichten

Schon länger hatten wir geplant in den Harz zu fahren, um auf den Brocken zu steigen. Der Brocken ist mit 1141 Metern der höchste Berg in Norddeutschland und liegt im Nationalpark Harz. Eigentlich war der Harz bekannt für seine dunklen, riesigen Fichtenwälder, angelegte Monokulturen als Bauholz für den Bergbau. Was wir aber schon bei der Anfahrt in das Mittelgebirge erlebten, traf uns hart. Ich kannte den Harz noch aus meiner Jugend, aber was es hier zu sehen gab, öffnete mir schlagartig die Augen, das wir ein großes Problem haben und mitten im Klimawandel sind.

Riesige, abgeholzte, tote braune Flächen, dazwischen kleinere abgestorbenen, noch nicht gefällte Wälder. So weit man sehen konnte nur braun und tot.

Das setzte sich im Nationalpark fort. Eigentlich hatte es hier begonnen.

Der Plan der Nationalparkverwaltung, den Wald des Parks zu einem Mischwald werden zu lassen ist grundsätzlich der richtige Weg. Fichten kommen im Harz ab einer bestimmten Höhe als natürliche Vegetation vor. Darunter ist Laub Mischwald der natürliche Bewuchs.

Ein eingreifen des Menschen im Nationalpark ist nicht gewünscht und so wurde der Befall mit Borkenkäfern im Nationalpark nicht bekämpft. Die durch die Trockenheit geschwächten Bäume konnte sich gegen den Käfer Befall nicht wehren. Der Käfer vermehrte sich explosionsartig und vernichtete relativ schnell den Fichtenbestand.

Der Plan, die Borkenkäfer nicht über den Rand des Nationalparks heraus zu lassen, scheiterte und die sowieso schon durch die Trockenheit geschwächten Fichten außerhalb des Nationalparks wurden ebenfalls befallen und fielen dem Käfer schließlich zum Opfer.

Im Nationalpark soll sich nun auf natürlichem Weg ein Mischwald bilden, dies wird sicher auch irgendwann geschehen, aber da in einem riesigen Radius kaum noch anderer Wald vorhanden ist, können sich auch kaum andere Bäume in dem Gebiet ansiedeln, es wird sehr lange dauern. Der ungeschützte Boden ist nun sehr anfällig für Erosion, kann durch die fehlenden Bäume kaum Wasser speichern und macht die Wiederbewaldung zusätzlich schwierig.

Ein weiteres Problem ist der Wildverbiss. An Stellen, an denen junge Bäume nachwachsen, sind diese durch Rotwild verbissen, also abgefressen. Da im Nationalpark nicht gejagt wird, können sich die Tiere stark vermehren und somit zusätzlich Schaden anrichten. In einer intakten Natur würde der Wolf die Bestände kontrollieren. Aber bisher sind wohl nur vereinzelt Wölfe im Harz unterwegs. Da der Wolf empfindlich auf Störungen reagiert, wird er sich wohl auch in absehbarer Zukunft im Harz nicht so richtig wohl fühlen, bei den Mengen an Menschen, die hier überall unterwegs sind.

Nur ein einsamer Wolf im Nationalpark zu sehen…

Aber auch umzäunte Neupflanzungen außerhalb des Nationalparks scheitern schon jetzt an der Trockenheit. Die Setzlingen vertrocknen einfach nach dem Pflanzen. Da von oben kein Schatten und auch kaum Regen vorhanden ist.

Im schlimmsten Fall wird der Oberboden bei Starkregen weg gespült und es entsteht eine Grassteppe in der nur noch Gebüsche wachsen können. Wir werden es sehen, das geht nämlich alles viel schneller als wir dachten.

Die Brockenbahn dampft durch Totholz – das führt im späteren Verlauf des Jahres übrigens zu großen Waldbränden im Harz

Interessant ist übrigens, das die Fichten oberhalb der natürlichen Bergfichtengrenze nicht vom Käfer betroffen sind. Allerdings kann man diese Bäume auch nicht als Bauholz verwenden, da sie nur sehr kurz und auch nicht gerade sind. Aber zumindest sind sie noch grün.

Blick vom Brocken über natürliche Bergwaldfichten und darunter, so weit das Auge reicht, tote Wälder

Bei einer weiteren Klimaerwärmung steigt die natürliche Fichtenwaldgrenze aber an und die Bäume können nicht weiter nach oben ausweichen, da der Berg irgendwann zu Ende ist.

Anfang Juli war ich wieder in unserem Wald. Ich wollte hier bei einer Wanderung eine Pause einlegen. Es war heiß und ich freute mich drauf, meine Füße ins kalte Bachwasser zu tauchen. Als ich aber den Berg hinunter kam, blieb ich stehen. Ich konnte es eigentlich nicht glauben, noch nie hatte ich den Bach so gesehen. Eigentlich hab ich ihn gar nicht gesehen. Er war leer, ausgetrocknet, völlig ohne Wasser. Ich setzte mich daneben, ein Gefühl wie auf einer Beerdigung, unser Bach ohne Wasser.

Kein Plätschern im Bachbett

Zwei Wochen später übernachtete ich noch einmal hier in meiner Hängematte. An Würstchen grillen war nicht zu denken. Kein Regen, seit, ja wahrscheinlich seit dem Nieselregen im März. Jeder Funke könnte zur Katastrophe führen – könnte NEIN, die haben wir schon längst.

Nachts war Vollmond, sternenklar – ich lag wieder auf meinem Stammplatz zwischen den zwei dicken Fichten in der Hängematte, mit freiem Blick auf die Sterne – im dunklen Wald.

So viele Nadeln waren gefallen, das man mehr oder weniger frei in den Himmel blicken kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Fichten, die mein Uropa gepflanzt und gegossen hat, ganz absterben und ich daran nicht mehr die Hängematte aufhängen kann, weil sie einfach weg sind.

An den Stellen, an denen vor einigen Jahren ein paar hieb reife Fichten entnommen wurden, wuchert mittlerweile Brombeere, Holunder, Ahorn, Eiche und Buchen. Leider ist es bei uns auch so, das viele der Jungpflanzen nicht hoch wachsen können, das sie abgefressen werden. Auch bei uns fehlt der Wolf.

Aber zumindest sind rund herum noch genug Altbäume, die sich versamen können.

Ich hatte über einige der jungen Buchen Reisig geworfen, so das das Wild nicht an sie heran kommt, diese sind nun höher als das Dam- und Rehwild. Das könnten tatsächlich einmal richtige Bäume werden und keine Bonsai. Da können dann meine Enkel vielleicht ihre Hängematte dran aufhängen.

Aber zum wachsen brauchen sie Wasser.

Spaziergang auf dem Grund des Rheins – einer der größten Flüsse in Europa…

Im August besuchten wir Verwandte am Rhein. Hier zeigt sich, wie es ist, wenn von den Nebenflüssen kein Wasser in den Rhein fließt. Etwa 60 % des Rheinwassers kommen übrigens aus den Gletschern der Alpen. Das ist der Grund, warum überhaupt noch Wasser im Rhein ist. Nun ist es aber so, das im Winter kaum noch ausreichend Schnee fällt und die Gletscher langsamer wachsen, als das sie abschmelzen. In absehbarer Zeit wird es keine Gletscher mehr in den Alpen geben und dann kann im Sommer auch kein Schmelzwasser mehr aus den Alpen den Rhein herunter fließen.

Nur oberhalb der Wasserfläche zu benutzen, die Mosel und die Blaualgen

Die Mosel, auf der wir eine kleine Kanutour unternommen haben, hat noch reichlich Wasser, aber auch nur, weil sie in regelmäßigen Abständen aufgestaut ist und somit eigentlich kein richtiger Fluß. Die hohen Temperaturen und die geringe Fließgeschwindigkeit ermöglichen ein ungebremstes Wachstum der Blaualgen. Schwimmen und Fisch Essen ist hier mittlerweile gesundheitsgefährdend wegen der Klimaerwärmung. Dies trifft übrigens auch auf viele Teiche und Seen zu. Wir haben die Natur überall um uns herum verändert, verschlimmbessert und nun beginnen wir zu merken, was das eigentlich bedeutet.

Der Mittagsfels bei Niederalben
Das ist mitten in Deutschland, nicht die afrikanische Steppe

Mittlerweile ist es so trocken, das nicht nur die Monokulturwälder aufgeben, auch ein Großteil der natürlichen Wälder ist betroffen. Viele Bäume haben abgestorbene Astspitzen, verlieren jetzt im August schon ihre Blätter oder sterben ganz ab. In den dunklen, schattigen Tälern, wie das, in dem unser Wäldchen liegt, sind noch nicht so stark betroffen. Hier haben die Bäume eine höhere Überlebenschance.

Auch wenn wir uns am Ende der natürlichen Eiszeit, auf dem Weg in die Warmzeit befinden, ist es doch ziemlich sicher, das wir mit unserm Verhalten den Klimawandel beschleunigen.

Vor zwanzig oder mehr Jahren wussten wir schon, das es so nicht weiter gehen kann. Keinen hat es interessiert. Jetzt sind wir mitten drin, Wassermangel, absterbende Wälder, Starkregen, Waldbrände.

Im Verdontal – Wassermangel und Waldbrände

Der Krieg in der Ukraine und vorher schon Corona zeigt uns unsere Abhängigkeit von Fossilen Brennstoffen und Lieferungen aus fernen Ländern. Das Gas wird knapp, heizen für manche Menschen unbezahlbar. Lebensmittelpreis explodieren, unsere Landwirtschaft produziert weniger wegen dem Wassermangel.

Absolute Trockenheit auf den Äckern

Und was ist die Antwort der politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen?

Man gleicht die verpennten, nicht genügend vorhandenen, erneuerbaren Energien mit anderem Importgas – das um den halben Planeten verschifft wird und mit Braunkohle aus. Eine andere Lösung ist im Moment nicht vorhanden. Planlose Zukunftsplaner.

Riesige Bagger …
und nach größere Löcher…

Was es aber bedeutet, Braunkohle zu fördern, haben wir uns vor kurzem am Tagebau Hambach ansehen können. Die Eingriffe in die Natur sind so gewaltig, das das CO2, welches beim verbrennen entsteht, schon fast nebensächlich ist. Irreparable Absenkung des Grundwassers, riesiger Wasserverbrauch, gigantische Bagger, hunderte Meter tiefe Löcher in der Landschaft, zerstörter Boden, der ewig braucht um wirklich renaturiert zu sein, wenn überhaupt.

Der Tagebau Hambach am Aussichtspunkt Terra Nova

Das ist keine Lösung und ein Verbrechen gegen die Natur und uns selber. Aber das Thema ist so komplex, das man sich da mit einem eigenen Beitrag drum kümmern müsste.

All diese Erlebnisse der letzten Zeit,

die offensichtlichen Veränderungen der Natur auf jeder Wanderung,

haben mich zum Nachdenken gebracht.

Mein Klimawandel hat begonnen.

Hoffen wir, das wir eine Lösung für uns
UND unsere Nachkommen finden…

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