Eigentlich wollten wir grade jetzt in Cambrai, im Norden Frankreichs sein, aber geschlossene Grenzen und Hotels wegen Corona, machen das leider unmöglich. Da kann man nur hoffen, das bald alles wieder besser wird und wir unsere Reiselust wieder ausleben können.

Als Ersatz nun ein paar Zeilen und Fotos meiner letzten Tour in die Umgebung von Cambrai im November 2019.

Mit einem Freund fuhr ich ein verlängertes Wochenende dort hin, um das ehemalige Schlachtfeld zu erkunden.

In der Gegend südliche von Cambrai begann am 20. November 1917, also vor genau 103 Jahren,

im Morgengrauen, der erste große Panzerangriff der Menschheitsgeschichte.

Dieser Angriff ging als „Tankschlacht von Cambrai“ in die Geschichte ein.

Tank Mark IV C51 Chaperon

Der 1. Weltkrieg begann im Sommer 1914. Nach dem Einmarsch der deutschen Armee in Belgien und Frankreich, fraß sich die Front schnell, auf einer Linie von der Nordsee bis an die Schweizer Grenze, fest. Die Soldaten gruben sich ein, es wurden befestigte Stellungen, Schützengräben und Betonbunker errichtet. Sturmangriffe der Infanterie verbluteten im Trommelfeuer der gegnerischen Artillerie und der Maschinengewehre. Mehrere tausend Tote für ein paar Meter Geländegewinne waren keine Seltenheit.

Seit 1916 setzten die Briten Tanks, also Panzerfahrzeuge an der Front ein, aber immer nur in kleinen Gruppen und ohne großen taktischen Erfolg. An der Somme und in Flandern versanken die Fahrzeuge im Morast und konnten die Infanterie so nur bedingt unterstützen. Aber die kleinen Erfolge einzelner Fahrzeuge machten der britischen Führung Hoffnung auf einen großen Erfolg.

Der Gedanke hinter dem Tank war, das die Panzer die feindlichen Schützengräben überqueren sollten und mit ihren Maschinengewehren und Kanonen feindliche MGs und Minenwerfer ausschalten sollten, so das die eigene Infanterie nachrücken konnte um die Gräben zu säubern.

Um dies umzusetzen mussten die Panzer aber fahren können, ohne im grundlosen Schlamm stecken zu bleiben. Deshalb suchten die Befehlshaber einen Frontabschnitt aus, der noch wenig zerschossen war. 478 Tanks wurden zwischen Havrincourt und La Vacquerie zusammengezogen. Davon waren mehr als 350 einsatzfähige Kampfpanzer vom Typ Mark IV. Der Rest setzte sich aus Nachschubpanzer zum Munitions- und Betriebsstofftransport, Wirepullern (Panzer mit Schleppankern zum beseitigen von Drahthindernissen) und einigen Fahrzeugen zusammen, die nicht Einsatzfähig waren. Dies geschah vor allem Nachts und ohne das die deutsche Armee davon erfuhr.

Normalerweise setzte vor einem Angriff ein tagelanges Trommelfeuer auf die feindlichen Gräben ein, um die feindlichen Stellungen sturmreif zu schießen. Dies unterblieb ebenfalls. Nur eine kurze Artillerievorbereitung am Morgen des 20.11. fand statt. Das Feuer wurde mit dem Vorrücken der Panzer und Infanterie immer weiter vorverlegt. Allerdings fehlte eine schnelle Kommunikation. Es gab nur Melder und Brieftauben. Wurden die Panzer aufgehalten, rückte Feuerwalze der Artillerie trotzdem vor und ein effektives bekämpfen des Gegeners durch Artillerie blieb teilweise aus.

Die Deutschen Soldaten waren fast völlig überrascht, es gab am Abend des 19. nur eine Vorwarnung vor einem kleinen Angriff im Bereich Havrincourt. Das eine so große Menge an Tanks zu einem Großangriff angetreten waren, bemerkte die Deutsche Führung erst im Laufe des Tages. Die deutschen Soldaten in den vorderen Gräben hatten keine wirksamen Mittel gegen die Panzer. Ihre Gewehrkugeln prallten an der Panzerung einfach ab.

Es gab zwar schon Hartkernmunition, solche war aber an diesem Frontabschnitt nicht vorhanden. Die einzige Möglichkeit, die Tanks zu stoppen,waren die Artilleriegeschütze, die aber weit hinter der Front standen. Den Soldaten ganz vorne blieb im besten Fall nur die Flucht.

Trotzdem war die Schlacht aus englischer Sicht kein Erfolg, denn die Erfolge der Tanks konnten durch die teilweise zu langsame Infanterie nicht genutzt werden, Reserven zum weiteren Durchbruch waren nicht schnell genug vorhanden, fehlende Kommunikation (es gab noch kein Funk in den Tanks und bei den einzelnen Infanteriekompanien) verhinderten schnelle Verlegungen und somit Erfolge.

Dies alles lernte vor allem die deutsche Seite aus der Schlacht von Cambrai- Die Blitzkriegtaktik und der Kampf der Verbundenen Waffen aus dem 2. Weltkrieg nahm ihren Anfang hier in Cambrai und funktionierte sogar im Golfkrieg noch nach gleichen Prinzipien.

Der Tank hatte seinen Platz auf den Schlachtfeld der Zukunft erkämpft.

Tank F22 bei Masnieres mit einer Brücke eingebrochen

Wir hatten uns ein günstiges Hotel am Rand von Cambrai ausgesucht und erreichten unser Ziel am Nachmittag. Bevor es ins Hotel ging, wollten wir die Zeit,bis zur Dunkelheit, noch mit einem kurzen Spaziergang nutzen und parkten in der Nähe des Bourlon Waldes nördlich Fontaine Notre Dame.

Überall auf den Straßen war dicker Schlamm und auf den Felder war die Rüben und Kartoffelernte in vollem Gange. Der Bourlon Wald befindet sich auf einer Anhöhe, strategisch über dem Gefechtsfeld, und war deshalb ein wichtiges Ziel des britischen Angriffs.

Alte Eschen und Buchen wachsen dort. Wir streiften durch den Wald, konnten aber an der Nordkante keine Spuren des Krieges entdecken. Beim verlassen des Waldes erblickten wir ein Steinkreuz auf einer Wiese und beschlossen, es näher zu betrachten.

Denkmal für Charles Fletcher Hartley und die Coldstream Guards bei Fontaine Notre Dame

Es stellte sich als Denkmal für Lieutenant Hartley und die Coldstream Guards heraus, die hier am 27.11.1917 versuchten, den Ort Fontaine zu erobern. Schwere Kämpfe fanden hier auf dieser, heute so ruhigen Wiese statt. Lieutenant Charles Fletcher Hartley fiel an dieser Stelle durch einen Kopfschuß. Er kommandierte zwei Maschinengewehr Sections der Coldstream Guards.

Sein Leichnam konnte nie identifiziert bzw. gefunden werden. Zur Erinnerung baute sein Vater ihm dieses Denkmal an die Stelle, an der er fiel.

Es begann dunkel zu werden und wir machten uns auf den Rückweg zum Auto.

Bourlonwood am Abend

Nach einem reichhaltigen Frühstück ging es am nächsten morgen auf die Westseite des Bourlon Waldes. Dazu fuhren wir nach Bourlon und erreichten über eine langgezogene, gerade Straße das Bourlon Wood Memorial der Kanadischen Armee. Von hier aus nahmen wir einen schmalen Weg rechts am Memorial vorbei in den Wald. Entlang der Waldkante arbeiteten wir uns durch dichte Büsche und Brombeeren weiter vorwärts. Plötzlich tauchten vor uns vermooste Betonteile aus dem Boden auf. Schnell liefen wir dort hin, um den Fund genauer zu untersuchen. Es stellte sich schnell als größerer Schützengraben mit betonierten Unterständen heraus. Wir hatte die Front gefunden.

Bourlon Wood Canadian Memorial
Schützengraben im Bourlon Wald
betonierter Unterstand

Von hier, heute unter großen Bäumen versteckt, hatte man einen guten Überblick nach Süden und Südwesten.

Nach einer Kaffeepause zogen wir an der Waldkante weiter entlang. Der Wald endete an einem Acker, der mit Mais bepflanzt war, vereinzelt lagen Metallreste zwischen den Maispflanzen, darunter viele Granatsplitter aber auch ganze Granaten, die die Bauern am Weg- oder Feldrand stapeln um sie dann vom Räumdienst abholen zu lassen.

7,7cm Schrapnell Granate aus deutscher Produktion

Man sollte es tunlichst unterlassen, diese Teile anzufassen, da sie auch nach über 100 Jahren im Boden nichts an Gefährlichkeit eingebüßt haben. Spreng- und Schrapnellgeschosse fanden wir jetzt häufiger – aber auch Gasgranaten können an den Wegrändern der Schlachtfelder vorkommen. Wer an seinem Leben hängt, sollte außer Fotos, keinen weiteren Kontakt mit den Teilen suchen. Außerdem drohen empfindliche Strafen, wenn man sich beim Suchen nach Weltkriegsrelikten von den französischen Behörden erwischen lässt.

britischer Blindgänger
Süd West Ecke des Bourlon Waldes

Außer Blindgängern und ein paar Schützenlöchern fanden wir leider keine Bunker mehr und machten uns gegen Mittag auf den Weg, quer durch den Wald zurück zum Auto.

Unser nächstes Ziel war Flesquieres, ein kleiner Ort südlich von Bourlon.

Ortseingang von Flesquieres
Blick Richtung Havrincourt
Demkmal zur Panzerschlacht in Flesquieres

Dort konnte die erste Angriffswelle der Engländer am 20.11 von der deutschen Armee gestoppt werden. Flesquieres liegt auf einer Anhöhe über dem Grand Ravine. Viele Tanks wurden hier von der deutschen Artillerie im direkten Richten abgeschossen. Nahe des Ortes konnte Phillipe Gorcynski einen vergrabene Mark IV Tank lokalisieren und im Jahr 1998 freilegen. Dieser Tank, der als Mark IV Deborah D51 identifiziert wurde, kann heute in einem kleinen, aber sehr sehenswerten Museum in Flesquieres angesehen werden. Er ist der einzig erhaltene Tank dieser Art in Frankreich und einer von nur 6 erhaltenen Exemplaren weltweit.

Mark IV Deborah D51 mit mir

Nach dem Museumsbesuch erkundeten wir noch ein wenig die Gegend um den Ort herum. Allerdings sind die Reste der Hindenburglinie den riesigen Äckern gewichen, die sich um Flesquieres ausbreiten.

Das ehemalige Schlachtfeld bei Flesquieres mit Blick auf den Friedhof

Anschließend fuhren wir noch nach Hanvrincourt weiter. Hier befanden sich die vordersten Stellungen der Hindenburglinie, die im Morgengrauen des 20.11 von den Engländern überrannt wurden. Im Wald von Havrincourt versteckten die Briten ihre Tanks vor der Schlacht.

Moderne ?!

Da die Sonne schon wieder am Untergehen war, konnten wir nur noch einen kleinen Spaziergang unternehmen und besuchten den Grand Ravine British Cemetery am Nordrand des Waldes am Ende eines schlammigen Feldweges. Hier liegen 139 britische Soldaten begraben, 11 von ihnen sind Unbekannt.

Grand Ravine British Military Cemetery

Auf dem Weg zurück nach Cambrai besuchten wir noch kurz den Flesquiers Hill British Cemetery.

Grab eines Unbekannten Panzersoldaten

Laut der Commonwealth War Grave Comission liegen hier über 900 Soldaten begraben, etwa 1/3 davon sind Unbekannt.

Nach dunkel werden ließen wir den Abend gemütlich im Hotel ausklingen.

Am nächsten Morgen ging es dann schon wieder in Richtung Heimat.

Auf dem deutschen Soldatenfriedhof Cambrai

Bevor wir Cambrai verließen, besuchten wir noch den deutschen Soldatenfriedhof. Hier ruhen über 10.000 deutsche Soldaten, die von verschiedensten Friedhöfen und Feldgräbern der Umgebung hier her umgebettet wurden.

Unser Wochenende war ein erster Einblick in die spannende Militärgeschichte der Westfront im 1. Weltkrieg. Wie schon erwähnt, wären wir eigentlich im Moment wieder vor Ort, aber Corona wird dem Reisen wohl noch eine Zeit lang im Wege stehen…

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